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Interview mit Projektleiter Urs Stingelin

Urs Stingelin – Projektleiter "revidierte Hoffnung für alle"

Urs Stingelin leitete die Arbeit an der revidierten Hoffnung für alle. Hier gibt er im Interview einen Einblick in die Übersetzungs- und Revisionsarbeit.

Herr Stingelin, erzählen Sie uns kurz: Wie überarbeitet man eine Bibel?

Urs Stingelin: Bei der Hoffnung für alle ging es darum, die biblischen Grundtexte noch genauer wiederzugegeben und sie dabei trotzdem verständlich zu halten. Deswegen haben Sprachwissenschaftler zuerst den vorhandenen Text der „Hoffnung für alle“ Vers um Vers mit der hebräischen, aramäischen und griechischen Bibel verglichen. Und überall, wo es etwas zu verbessern gab, wurde das für die Bibelübersetzer vermerkt.

In einer zweiten Runde haben Theologen den Text der Hoffnung für alle überarbeitet und dabei die Rückmeldungen der Sprachwissenschaftler beachtet. Dazu haben sie sich auch die ursprünglichen Texte noch einmal angeschaut und die aktuellen Kommentare berücksichtigt. Zuletzt haben wir bei allen Bibeltexten noch einmal den sprachlichen Stil überprüft. Außerdem haben wir auch darauf geachtet, dass sich Bibelstellen, die sich aufeinander beziehen, nicht plötzlich widersprechen.

Wann haben Sie mit der Arbeit dazu begonnen und wie lange haben Sie daran gearbeitet?

Urs Stingelin: Persönlich war ich bereits in der Planungsphase im Jahr 2007 mit dabei. Nach einer längeren Pause bin ich 2010 als Projektberater zurückgekommen und habe kurz darauf die Projektleitung übernommen.

Warum ist es wichtig, eine Bibel von Zeit zu Zeit neu zu schreiben?

Urs Stingelin: Weil ihre Botschaft perfekt ist, aber nicht der Mensch, der sie übersetzt, und der Mensch, der sie liest. Die Auslegung der Bibel ist eine «ars semper reformanda» – eine immer zu erneuernde Kunst: Die Übersetzer entwickeln sich persönlich immer weiter. Außerdem werden Jahr um Jahr neue wissenschaftliche Erkenntnisse zur Bibel veröffentlicht, die es ebenfalls zu beachten gilt. Aber nicht nur das: Auch der Mensch, der sie liest, und seine Sprache entwickeln sich. Schon meine eigenen Kinder haben einen ganz anderen Wortschatz und Satzbau als ich.

Wo lagen die größten Herausforderungen bei diesem Mammutprojekt?

Urs Stingelin: Für mich als Projektleiter waren die größten Herausforderungen die Faktoren Zeit und Geld. Die Überarbeitung der Hoffnung für alle hat rund acht Jahre beansprucht. Das hört sich nach viel an, ist es aber nicht: Die gesamte Bibel umfasst 30‘554 Verse. Betrachtet man es so, hatten wir pro Vers nicht einmal eine Stunde Zeit und das bei 365 Tagen Arbeit pro Jahr. Fragen Sie einmal einen Pfarrer, wie lange er sich für eine Predigt zu vier bis fünf Versen vorbereitet!

Auch anspruchsvoll für die Übersetzer sind Stellen, die man in Einklang miteinander bringen möchte. Es gibt viele Sätze oder Teilsätze in der Bibel, die gleich oder ähnlich auch noch an anderen Stellen vorkommen. Dort stehen sie allerdings teilweise in einem ganz anderen Zusammenhang. Hier beginnt eine sehr schwierige Gratwanderung, um die Form des Textes anzupassen, aber gleichzeitig charakteristische Unterschiede im Inhalt beizubehalten.

Welche Eigenschaften muss man mitbringen, um eine Bibel zu überarbeiten?

Urs Stingelin: Zuallererst braucht es die Liebe zum Wort und einen langen Atem. Darüber hinaus sind natürlich sichere Sprachkenntnisse in Hebräisch, Aramäisch, Altgriechisch, Deutsch und Englisch entscheidend, aber auch sehr gute theologische und historische Kenntnisse. Ich bin außerdem davon überzeugt, dass die Bibel sich jemanden noch einmal ganz anders erschließt, wenn er sich dafür entschieden hat, auch danach zu leben.

Für welche Stellen in der Bibel haben Sie am meisten Zeit verwendet?

Urs Stingelin: Das waren wahrscheinlich 2. Korinther 3 und die Psalmen. Der Korintherbrief, weil die Gedankengänge von Paulus sehr komplex sind. Wir mussten hier die Texte sehr viel mehr korrigieren als anderswo. Die Psalmen, weil darin viele Bilder geschildert werden, die die Übersetzer an ihre Grenzen bringen. Sie sind ständig hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, die Bilder in unsere Zeit zu übertragen und dem, möglichst nah am ursprünglichen Text zu bleiben.

1983, 1996, 2002, 2015: Das sind die Entwicklungsstufen der deutschsprachigen Hfa. Wann überarbeiten Sie das nächste Mal die Hoffnung für alle?

Urs Stingelin: Wir haben bereits damit begonnen. Nein, im Ernst: Die Arbeit an einer Bibelübersetzung ist nie abgeschlossen. Alle Rückmeldungen von außerhalb und persönlichen Beobachtungen zum Text werden sorgfältig protokolliert und in regelmäßigen Sitzungen des Übersetzungskomitees besprochen. Hier entscheidet sich, wo in zukünftigen Ausgaben nachgebessert wird.


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